Rezensionen gutingi 105

gutingi 105

Mit den vier Balladen, mit der h-Moll-Sonate und sozusagen als Zugaben mit drei der 21 Nocturnes bietet der Pianist Gerrit Zitterbart ein technisch, gedanklich und emotional anspruchsvolles Chopin-Programm. Die gutingi-Einspielung aus dem Jahr 1991 – produziert in der Frankfurter Festeburgkirche – zeigt den Interpreten auf gutem, bisweilen hohen Niveau der Werk- und Passagendefinition. Zitterbart ist im Vergleich zu den führenden, anerkannten, aber auch immer wieder heftig diskutierten Chopin-Spielern kein Zauberer, eher ein Realist des vorbereiteten Tonfalls, generell ein kluger Übersetzer seiner pianistischen Möglichkeiten. Unter diesen Umständen fügen sich die Bausteine der vier Balladen zu einem geregelten Ganzen – ohne Extreme in den beschleunigten Passagen etwa der g-Moll-Ballade oder am Ende der f-Moll-Besonderheit (op. 52). Es handelt sich um die Lesart, um das ehrliche Bekenntnis eines Musikers, der „seinen“ Chopin studiert hat, der sich dem Material gewachsen zeigt, in einigen Details auch eine eigene Meinung zur Diskussion stellt wie etwa in den wogenden Finalpassagen der As-Dur-Ballade (op. 47).

Oft genug wird die Eröffnung der Sonate op. 58 unbeherrscht, ja mehr noch: in ihren gekreuzten, hoch erregten Linienführungen bis zur Unkenntlichkeit herauskatapultiert. Zitterbart behält die Übersicht, entfaltet das gleichsam vielzüngige Geschehen mit der sparsam erregten Gelassenheit eines pragmatisierten Chopin-Professors. Vergleichsweise wenig behende gelingt ihm das Scherzo. In diesem Bereich der reinen, der offensichtlichen Fingergelenkigkeit sind ihm viele Kollegen überlegen. Zum Glück für Zitterbart ist dieses flinke, von einem nachdenklichen Mitteilteil sozusagen abgebremste Scherzo nur eine musikalische Fußnote.

Im Largo erweist sich seine färbende und konturierende Beharrlichkeit als akzeptables Projekt einer Chopin-Übermittlung, die sich eher dem greifbaren Vordergrund, weniger dem Mysteriösen, dem Zwischentönigen verpflichtet fühlt. Dies gilt – wie ich meine – auch für Zitterbarts Wiedergabe der drei Nocturnes, die im Programm dieser Einspielung zwischen den vier Balladen platziert wurden.

Die gutingi-Edition ist sparsam konzipiert: der Hüllenkarton enthält eine CD, aber keine Begleitinformationen im Sinne von Werkeinführung und Künstlerbiografie. Wie so oft, wenn man Produzenten auf diesen Mangel anspricht, wird man auf die Möglichkeiten des Internets verwiesen – und natürlich auch auf andere Chopin-Veröffentlichungen mit ähnlichem Programm…
Klassik heute Februar 2011, Peter Cossé

 
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