Klassik heute Dezember 2018

  

Eine CD, die eine Lanze für Komponistinnen bricht. Aber ist dieses Konzept das richtige? Schon im Titel „Er und Sie“ wird ein Vergleich aber auch ein Gegensatz formuliert zwischen männlichen und weiblichen Komponisten – wobei der männliche Part wie üblich vorangestellt wird – , in „Paarungen“ soll die Gleichwertigkeit weiblichen Komponierens demonstriert und bewiesen werden. Aber warum der Vergleich? Warum nicht gesundes Selbstbewusstsein beweisen und nur Komponistinnen auf die CD bringen?

 

Wahrscheinlich nicht beabsichtigt, aber durch die Besetzung bedingt, wird hier weibliches Komponieren auf die kleine Form reduziert: Walzer, Nocturnes, Klavierlieder und Lieder ohne Worte. Das musizierende Ensemble Ehrbar! besteht aus Sopran, Flöte und Klavier – alles also in hohen Frequenzen: typisch weiblich?

 

Charmant und lebendig ist der Valse Chantée Portrait von Cécile Chaminade (1857-1944), dem Les Chemins de l’Amour von Francis Poulenc beigesellt ist mit einem reizenden Duett von Sopran und Flöte. Heidrun Blase prunkt hier mit einem leidenschaftlich ausgreifenden, aber durchaus geschmeidig-wendigen Sopran, dessen Timbre nur bisweilen etwas scharf wirkt. Diese Schärfe spitzt sich in den deutschen Liedern von Clara (1819-1896) und Robert Schumann zu, die sich als gemeinsam ebenbürtig erweisen. Heike Malz steuert schöne Flötentöne bei, mit leichtem Atem lang gezogen oder quirlig quellend. Dass die Franzosen die Flöte lieben, zeigt anmutig das Nocturne von Lili Boulanger (1893-1918) mit einer sich herabschlängelnden Tongirlande, die als Vorbild für die Schlange Kaa im vertonten Dschungelbuch gedient haben könnte.

 

Gerrit Zitterbart am Érard- bzw. Bechstein-Flügel ist der Richtige in dieser Konzeption: Er widmet sich einem Nocturne in F-Dur op. 6,2 der jungen Clara Wieck, die sich in den Übergängen etwas unbeholfen den Chopin’schen Nocturnes nähert, mit der gleichen Behut- und Achtsamkeit wie dem darauffolgenden Chopin‘schen Nocturne op. 15,1 in ebendemselben F-Dur, lässt auch die verschiedenen Lieder ohne Worte mit gleichem Ton zu ihrem Recht kommen: eins von Delphine von Schauroth (1813-1887), die diesen Begriff „erfunden“ hat, eins von Fanny Hensel (1805-1847), die ihn vor ihrem Bruder Felix verwendet hat, dessen Lied ohne Worte G-Dur op. 62,1 dann aber doch am schönsten fließt.

 

Eine Kuriosität sind die beiden Melodramen, deren Texte Rudolf Krieger mit angemessenem Pathos vorträgt: eher atmosphärisch vertont ist Karlu Čapki von Vitĕslava Kaprálová (1915-1940), sehr illustrativ und hochdramatisch das literarisch berühmte The Lady of Shalott von Alfred Tennyson in der Vertonung durch Amy Elise Horrocks (1867-1920), wo Gerrit Zitterbart am Flügel aus dem Vollen schöpft.

 

Rainer W. Janka

 

 

 
 
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